Seoul: Beim Frühstück verliebt


Zwischen Neuseeland und Korea liegt im April eine Zeitverschiebung von drei Stunden. Ein Erwachsener kann die ganz bequem zusätzlich schlafen, vor allem, wenn einem ein langer Flug in den Knochen steckt. Der Biorythmus eines 12 Monate alten Kindes lässt sich leider nicht so leicht austricksen. Und so wachten wir an unserem ersten Morgen in Seoul schon um 4 Uhr auf. Nachdem wir uns ausgiebig im Bett herumgedrückt und sehr gemütlich fertig gemacht hatten, war es immer noch erst kurz vor sechs. Aber immerhin fast hell draußen … und unsere Mägen knurrten.

In Berlin würde man um diese Uhrzeit den letzten Nachtschwärmern begegnen. Aber obwohl unser Guesthouse mitten im Univiertel lag, waren die Straßen, durch die wir im ersten Licht der aufgehenden Sonne fröstelnd auf der Suche nach einem geöffneten Lokal spazierten, menschenleer. Wir hatten weder Lust auf amerikanische Donuts noch auf ein Frühstück in einer großen Kaffeehauskette, aber alle koreanischen Restaurants (und davon gab es ringsum jede Menge) waren noch geschlossen.

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Fast wären wir an der kleinen Nudelsuppenküche vorbei gelaufen, aber durch die leicht beschlagenen Scheiben konnten wir Menschen sehen, die an Tischen vor großen Schüsseln saßen. Uns war vom Herumlaufen kalt geworden und unser Hunger inzwischen ganz ordentlich. Vermutlich hätten wir so ziemlich alles gegessen, was man uns vorgesetzt hätte. Mussten wir aber nicht, denn kaum hatten wir mehr oder weniger blind auf die Karte gezeigt, standen zwei dampfende Schüsseln mit Suppe vor uns. Würzige Brühe, ein bisschen scharf und mit reichlich Nudel- und Gemüseeinlage. Das wohl beste Essen, um Jetlag und Müdigkeit aus den Synapsen zu pusten. Dazu Kimchi – nach dem auch unsere Tochter gleich neugierig griff, es sich in den Mund steckte, kurz das Gesicht verzog und dann nochmal nach nahm – und eingelegter Rettich.

Erst einige Monate später, als wir so langsam begriffen, dass die Suche nach richtig gutem koreanischen Essen selbst in einer Großstadt wie Berlin etwa so erfolgreich verläuft wie die nach dem Heiligen Gral, erfuhr ich von einer hier lebenden Koreanerin, was es mit dem Rettich auf sich hat. In Deutschland kennen wir unter diesem Namen ein rübenförmiges weißliches Gewächs, während sein asiatischer Verwandter eher rund und gelblich ist und mehr Schärfe, aber weniger Wasser enthält, wodurch er auch dann fest bleibt, wenn man ihn salzt und einlegt. Leider konnte auch sie diesen Rettich hier noch nicht auftreiben und denkt jetzt darüber nach, beim nächsten Heimatbesuch Samen mitzubringen.

Jene erste Frühstückssuppe hatte uns nicht nur mit unserem extremen Frühstart versöhnt. Rückblickend war der Moment, in dem wir unser erstes echtes Kimchi und diese sagenhaften eingelegten Rettichscheiben probierten, wohl jener, in dem wir uns in die koreanische Küche und ihre raffinierten Beilagen verliebten. Vielleicht passierte es aber auch erst beim Mittagessen, als wir von Min und Gyujo ausgeführt wurden, die wir zwei Jahre zuvor in Myanmar kennengelernt hatten. Wir hatten einen kleinen Raum mit Holzfußboden und papierenen Wänden für uns, in dem wir im Schneidersitz um einen niedrigen Tisch herum saßen, auf den immer mehr Teller, Schüsseln und Schälchen gestellt wurden.

Die nächste Stunde war ein Rausch der Aromen. Ich erinnere mich an gegrillte Makrele und eine wohl sehr typische und beliebte Suppe auf Basis einer fermentierten Bohnenpaste, die Ausländer aber anscheinend nicht unbedingt lecker finden (zumindest warnten unsere Freunde uns vorher), wir fanden sie aber köstlich, und an unzählige Sorten von Kimchi und anderes eingelegtes Gemüse – grüne Bohnen, Möhren, verschiedene Arten Kohl, Sojasprossen, Algen und und und. Jedes einzelne hatte einen eigenen, ganz unverwechselbaren, vielschichtigen Geschmack, nicht etwa nur „sauer“, wie ich das aus meiner Kindheit von eingelegtem Kürbis oder Rote Bete kannte. Wir tun uns ja immer schwer damit, dasselbe Land noch mal zu besuchen, wenn es noch so viel, für uns Unbekanntes, auf der Welt zu entdecken gibt – aber alleine dieses Essen wäre ein Grund, sofort wieder nach Korea zu reisen.

Unser zweiter Morgen in Seoul begann ähnlich früh, weshalb wir wieder durch leere Straßen, vorbei an geschlossenen Restaurants spazierten. Dieses Mal in eine andere Richtung, denn wenn es (potenziell) etwas Neues zu probieren gibt, können der Co-Jäger und ich nicht widerstehen. Auch wenn es bedeutet, wieder suchen und eventuell frieren zu müssen. Dieses Mal landeten wir in einem noch kleineren Imbiss, in dem es genau ein Gericht gab: eine kräftige Fleischbrühe mit einem großen Stück Fleisch am Knochen darin (das in der „vegetarischen“ Variante einfach fehlte) und etwas Gemüse. Dafür bekamen wir noch mehr Beilagenschälchen: Kimchi, das aus in Würfel geschnittenem Gemüse gemacht war (welches wir nicht eindeutig identifizieren konnten), fein geschnittene, eingelegte rote und grüne Pepperoni (gar nicht mal sooooo scharf), ein spinatähnliches Gemüse und Klebereis.

An den verbleibenden Tagen wachten wir erst später auf, wodurch uns plötzlich die Türen sämtlicher Restaurants und Imbisse im Dunstkreis unseres Hostels offen standen. Wir frühstückten Bibimbap und dampfgegarte, mit süßer Bohnenpaste gefüllte Hefebrötchen. Sehr lecker, keine Frage. Aber den Zauber dieser ersten beiden Early Bird Frühstücke hatte es nicht mehr.

Die Namen und Adressen der beiden Frühstückslokale kennen wir leider nicht. Aber wir können das Golden Pond Guesthouse sehr empfehlen. Von dort sind beide nur 10, 15 Minuten zu Fuß entfernt. Versucht einfach euer Glück, am besten morgens um 6. Dann könnt ihr sie eigentlich nicht verfehlen.

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