Edendale: Wo der Haggis zuhause ist


Edendale ist ein winziger Ort 30 Kilomter nördlich von Invercargill. Selbst in Neuseeland ist er vermutlich nur Motorradenthusiasten ein Begriff, denn hier wurde der legendäre Burt Munro geboren. Und hier schraubte er so lange an seiner Indian herum, bis er damit 1967 auf einem Salzsee in Utah, USA, einen Geschwindigkeitsrekord aufstellte, der bis heute ungebrochen ist (und damals alle überraschte, denn das Motorrad war 47 und sein Fahrer 68 Jahre alt). Munros Geschichte wurde mit Anthony Hopkins verfilmt, der dem Teufelskerl nicht nur ziemlich ähnlich sieht, sondern sogar seinen Akzent überzeugend hinbekommen hat (das sagte mir zumindest eine Mitarbeiterin des Southland Museum).

Ich liebe den Film, der Co-Jäger Motorräder, also haben wir uns natürlich die original „World’s Fastest Indian“ angeschaut, die in Invercargill nicht etwa im Southland Museum steht (dort darf man allerdings für ein Foto in die Filmrequisite steigen, vorausgesetzt, man ist schlank und gelenkig), sondern bei E Hayes & Sons, einem Geschäft für Heimwerker und Haushaltswaren. Und wir freuten uns, dass wir auf unserem Weg von Gore in die Catlins durch Munros Geburtsort hindurchkommen. Nicht, weil es dort etwas zu besichtigen gäbe, sondern einfach so.

Kaum waren wir in den Ort hinein (und an der Fabrik des Milch-Giganten Fonterra vorbei) gerollt, fiel unser schweifender Blick auf ein grün und blau gestrichenes Häuschen, an dem ein Schild verkündete: „Home of the Haggis“. Da wir gerade in Gore Whisky getrunken und die Geschichte der schottischen Schwarzbrenner gehört hatten, waren wir nicht völlig überrascht. Aber doch neugierig. Sehr neugierig.

Mein Gespräch in der Metzgerei verlief dann ungefähr so:

„Ich habe gerade das Schild draußen gesehen – Home of the Haggis. Das hat mich neugierig gemacht. Der stammt doch eigentlich aus Schottland?“
Verkäuferin: „Nein, nein! Den haben wir hier hergestellt!“
– „Ich meinte das Rezept.“
„Achso. Nein, unser Rezept wurde hier entwickelt!“
– „Kommen die Metzgereiinhaber denn aus Schottland?“
„Nein, die sind hier geboren. In Edendale.“
– „Aber vielleicht hatten sie schottische Vorfahren?“
„Das weiß ich wirklich nicht. Die sind schon tot.“

Der (das? die?) Haggis, den sie mir dann zeigte, war etwa fußballgroß und leider nicht nur tiefgefroren, sondern auch noch in einer blickdichten Tüte verpackt. Als ich zögerte und fragte, ob es auch noch eine kleinere Portion gäbe, sagte sie: „Wir haben auch Haggis Würste.“ Die kleinste Packung – sechs Stück ($6) – sahen auch für uns zweieinhalb Esser machbar aus. Selbst für den Fall, dass die Horrorgeschichten über das schottische Nationalgericht wahr wären. Mein wirklich ausgeprägter Widerwille, Essen wegzuwerfen, steht mir da manchmal ein wenig im Weg.

„Jetzt müssen Sie mir aber noch verraten, was drin ist“, sagte ich noch, als ich die Würste in Empfang nahm. Die Verkäuferin zuckte zusammen und eine leichte Röte überzog ihr Gesicht, als sie erwiderte: „Das Rezept ist geheim!“ – „Ich meinte nicht im Detail“, beschwichtigte ich. „Nur ungefähr. Widerstrebend sagte sie: „Rind, Niere und Haferflocken.“ Das Hammelfleisch hat sie dabei unterschlagen, wie ich später herausfinde: Der Metzger persönlich hat es Stuff verraten, als er während der Rugby Weltmeisterschaft 2011 für das schottische Nationalteam Haggis zubereitete. Denn so wie die All Blacks nicht ohne Haka ins Spiel gehen, brauchen die Schotten anscheinend eine deftige Magengrundlage, Whisky und Dudelsackmusik.

Tags darauf. Die Bratkartoffeln brutzeln schon fröhlich in unserer Buskombüse vor sich hin. Ich schneide die Verpackung der Würste auf und erlebe die erste Überraschung: Der Mini-Haggis ist dunkel und sehr fest. Auf den Fotos, die ich vom Original-Haggis (also dem im Schafsmagen) kenne, quillt ein brockig aussehender Inhalt aus einer angeschnittenen, weißen Hülle heraus. Optisch ist also nichts zu beanstanden. Und sie riechen, nein: duften, fein würzig. Der Inhalt der Würste ist bereits gekocht, hat mir die Verkäuferin gestern noch verraten, aber ich möchte sie nicht nur erwärmen, sondern auch gerne die Haut etwas kross haben, also brate ich sie an. „Unauffällig“, nennt der Co-Jäger das Ergebnis nach dem ersten, vorsichtig gekauten Bissen ein wenig zögerlich. Und schmunzelt dann. „Ich hatte mit etwas Erschreckenderem gerechnet.“ Ich finde sie sehr viel weniger fettig als andere Wurstarten, leicht pfeffrig und mit einer überraschend wilde Note. Mir schmeckt es. Und unserer Kleinen, die an einem Endstück herumknabbert, offensichtlich auch.

Edendale Butchery
„Home of the Haggis“
7 Seaward Rd, Tel. 03-2066827

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Kommentare

2 Antworten zu „Edendale: Wo der Haggis zuhause ist“

  1. Avatar von Michael
    Michael

    Herrlich! Zum einen der wunderbar an einander vorbei laufende Dialog mit der Metzgersfrau. Zum anderen läuft mir persönlich bei Haggis das Wasser im Mund zusammen. Man kann ihn sich mittlerweile online in UK-Shops bestellen und zusenden lassen. Allerdings halten mich die Verpackungsgrößen bisher davon ab.

    Die Verkäuferin scheint keine Ahnung gehabt zu haben von Haggis. Rind habe ich noch in keinem Rezept gefunden. Schwerpunkt sind Schafsinnereinen (Herz, Lunge, Leber), dazu reichlich Nierenfett, Pfeffer, sonstiges Gewürz, über 3+ Stunden gegart im Schafsmagen. Und ja, die Konsistenz ist eher breiig.

  2. Avatar von Julia
    Julia

    @Michael
    Mich haben Geschmack und Konsistenz auch positiv überrascht. Hat die gute Frau wohl doch nicht ganz unrecht damit, dass das Haggis-Rezept in Neuseeland (weiter) entwickelt wurde.

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