Schwedagon Pagode: Die Jäger des verlorenen Schmatzes in Yangon

Yangon, Myanmar: Gold, Diamanten und ein opulentes Mahl


Es ist fünf Uhr morgens. Die Nacht ist noch samtig schwarz und warm, als wir vor die Tür unseres Hostels in der Innenstadt von Yangon treten. Zwei Hunde stromern die Gasse hinunter, ein Mann fegt mit einem Reisigbesen, ein anderer schläft auf seiner Fahrradrikscha. Die eisernen Rolläden der Geschäfte, die sich im Erdgeschoss der schmalen, hohen Kolonialbauten mit den bröckelnden Fassaden befinden, sind noch herunter gelassen. Auch die Männer mit den dicken Geldpacken in der Hand, die uns gestern, direkt nach unserer Ankunft, einen besonders guten Wechselkurs für unsere nagelneuen Dollarscheine versprachen, sind noch nicht wieder auf ihrem Posten.

Ein Taxi bekommen wir vorne, an der Hauptstraße, trotzdem mühelos und auch „Schwedagon Pagode“ wird sofort verstanden. Natürlich: Es ist der Name des größten und wichtigsten Heiligtums des Landes – und einer der prächtigsten buddhistischen Tempel der Welt. Acht Haare Buddas sind der Legende nach in das Fundament der zentralen goldenen Stupa eingebaut, die über die Jahrhunderte durch Spenden von Gläubigen auf 98 Meter Höhe und geschätzte 150 Tonnen angewachsen ist – davon fast 10 Tonnen pures Gold und mehrere tausend Edelsteine.

Ein guter Ort, um unsere Reise durch Myanmar zu beginnen.

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Über mehrspurige, nahezu ausgestorbene Boulevards fahren wir durch die Stadt und halten schließlich auf ein goldenes Leuchten zu. Als wir die Pagode erreichen, färbt sich der Nachthimmel gerade königsblau. Barfuß betreten wir die Pilgerstätte durch ein Tor und bleiben staunend stehen: Wir befinden uns in einer Kulisse aus funkelndem, purem Gold, angestrahlt durch unzählige Scheinwerfer und überdacht von einem Himmel, dessen Blau zu leuchten scheint.

Selbst Menschen, die Kirchenbesuchen normalerweise nichts abgewinnen können, werden von der Stimmung dieses erhabenen Ortes ergriffen. Wir hören Murmeln und Gesang von innig ins Gebet vertieften Menschen. Hunderte kleiner Glöckchen werden vom leichtesten Windhauch zum Klingeln gebracht. Ab und zu erklingen Schläge auf eine der mächtigen Glocken, die am Rande der Plattform hängen. „Krah! Krah!“, rufen die Krähen dazwischen, auf der Suche nach einem Leckerbissen, den sie aus einer der Opferschalen stibitzen können.

Trotz der frühen Stunde ist die Schwedagon Pagode bereits gut besucht. Männer und Frauen in traditionellen Longyis (knöchellange Wickelröcke) spazieren über das weitläufige Gelände. Gläubige kauern vor den verschiedenen Schreinen, zünden Kerzen an oder begießen kleine Statuen mit Wasser. Wir beobachten aber auch eine Gruppe von Mönchen, die Arm in Arm lachend für ein Foto posieren. Der Anblick überrascht mich. Erst im Laufe unserer Reise beginnen wir zu begreifen, wie sehr die Religion in Myanmar Teil des Alltags ist. Die meisten Erwachsenen gehen regelmäßig für ein paar Wochen oder Monate ins Kloster. Wenn sie das erste Mal zu Novizen werden, sind die meisten Burmesen noch Kinder. Zu einigen dieser fröhlich-bunten Feiern werden wir während unseresips eingeladen.

Der Himmel beginnt sich rosa zu färben und bald treffen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne die Spitze der goldenen Stupa. Ein magischer Moment. Schnell steigt die Sonne jedoch höher und lässt einen weiteren heißen Tag erahnen. Sorgsam darauf bedacht, nur auf die weißen Marmorfliesen zu treten, mit denen die Plattform der Pagode gekachelt ist (auf den schwarzen verbrennt man sich jetzt schon fast die Fußsohlen), gehen wir zum Ausgang und spazieren zurück zum Hostel. Als wir dort ankommen, ist die erste Speicherkarte unserer Kameras fast voll.

Zum Mittagessen sind wir mit Miki verabredet, sie ist eine Freundin unserer Freundin Joyce aus Singapur. Obwohl wir uns gar nicht persönlich kennen, hat sie uns vor unserer Abreise viele Tipps gemailt und darauf bestanden, uns in Yangon zum Essen auszuführen. Wir sind nach unserem Frühstart inzwischen ordentlich hungrig. Daran ändert auch die Gluthitze nichts, in der wir mit Miki und ihrem Freund Thomas bis ans andere Ende der Stadt fahren.

Unser Reiseführer verspricht eine abwechslungsreiche Küche, „denn die hier lebenden Völker haben ihre ganz persönlichen Lieblingsgerichte“. In den Reiseforen, die wir nach Tipps durchstöberten, hielt sich die Begeisterung allerdings in Grenzen: „ölig“ sei das Essen, „fade“ und „einfallslos“. Am Vortag, bei unserem ersten Spaziergang durch die Stadt, haben wir bereits indisch gegessen (unser Hostel liegt im indischen Viertel), was zwar ein wenig fettig war, aber alles andere als langweilig schmeckte.

Heute jedoch soll es burmesisch sein! Als wir das Restaurant betreten, steuere ich direkt auf die riesige Vitrine zu, die im hinteren Bereich thront. In unzähligen Warmhaltewannen ist darin das Angebot des Tages ausgestellt. Perfekt! So kann ich in aller Ruhe schauen, was es alles gibt. Und stelle schnell fest: vor allem Eintöpfe, also Fleisch und Gemüse in Sauce, aber das in unzähligen Varianten. Bei den meisten kann ich die Zutaten nicht genau identifizieren, sie sehen jedoch appetitlich aus und der Duft lässt meinen Magen knurren. Daneben, auf einem Tisch, sind kleine Schälchen, in denen sich Salat und gekochtes oder eingelegtes Gemüse befindet, kunstvoll übereinander gestapelt.

Der Co-Jäger und ich sind völlig überfordert von der Auswahl und daher sehr froh, dass Miki die Bestellung in die Hand nimmt. Kurze Zeit später bringt der Kellner so viele Teller und Schalen an unseren Tisch, dass sie kaum alle Platz finden. Im Vergleich zur thailändischen oder vietnamesischen Küche, die sehr viel mit frischen Kräutern und rohem oder nur kurz gegartem Gemüse arbeitet, kommt das burmesische Essen überraschend deftig daher. Alles wurde gründlich gekocht, Rohkost taucht bestenfalls als Garnitur am Tellerrand auf. Aber es schmeckt gut, abwechslungsreich, hin und wieder scharf, und dabei durchaus auch ölig.

In Kombination mit der Hitze – wir haben Mitte März, Trockenzeit, das Thermometer klettert jeden Tag auf über 40 Grad – löst die Mahlzeit allerdings ein dringendes Mittagsschlaf-Bedürfnis aus. Den halten wir dann auch, nachdem uns Miki wieder im Hostel abgesetzt und noch einmal ihre Handynummer aufgeschrieben hat („Falls IRGENDETWAS sein sollte – ruft mich an!“).

In den nächsten Tagen entwickelt sich daraus ein Reiserhythmus, mit dem sich die (zum Glück trockene!) Hitze gut ertragen lässt: Wir stehen in der Morgendämmerung auf, genießen die noch frischen ersten Stunden des Tages, legen dann eine laaaaaaange Siesta ein, in der wir zum Beispiel auf einer luftigen Hostel-Terrasse ein gutes Buch lesen (ja-ha, das waren noch unsere kinderlosen Zeiten), und unternehmen dann am Abend noch einmal etwas.

Vielleicht lag es an den Geldbergen, die wir an unserem ersten Tag in Myanmar aus der Bank getragen haben. Zum Zeitpunkt unserer Reise (Anfang 2012) gab es nämlich im ganzen Land noch keinen einzigen Bankautomaten und nur sehr wenige Wechselstuben, welche ausschließlich nagelneue Dollarscheine akzeptierten. Jeder noch so mikroskopisch kleine Knick führte dazu, dass die Annahme verweigert wurde. Mit viel Glück schaffte man es, für einen derart „beschädigten“ Schein noch bei einem der Geldwechsler auf der Straße ein paar Kyat zu bekommen. Wir hörten von Backpackern, die ihre Reise vorzeitig beenden mussten, weil ihnen das Geld ausging. Unsere Scheine waren allerdings einwandfrei, puh, und so saßen wir anschließend vor Geldbergen auf unserem Hostelbett, fühlten uns wie Bankräuber und überlegten, wie wir die Scheine möglichst unauffällig und diebstahlsicher auf unser bisschen Gepäck verteilen.

Vielleicht also war es dieser „Reichtum“, der uns dazu verleitete, das Café im vom Reiseführer empfohlenen Kandawgyi Palace Hotel zu besuchen. Schon der Name hätte uns stutzig machen sollen. Der Blick auf den Kandawgyi See von der Caféterrasse ist allerdings tatsächlich wunderschön: Im sanften Licht der Abenddämmerung sehen wir verliebte Paare über die lange Brücke spazieren und am anderen Ufer erahnen wir den goldenen Schein der Schwedagon Pagode. Wir bestellen jeder eine Cola, die von einem livrierten Kellner gebracht und mit einer leichten Verbeugung auf unser Tischchen gestellt wird.

Nachdem wir ausgetrunken und zehn Dollar bezahlt haben, verlassen wir das Paralleluniversum für wohlhabende Pauschaltouristen schleunigst wieder. Wir streiften es erst am Ende unserer Reise, am Inle See, ganz kurz noch einmal.

feel Myanmar Food betreibt mehrere Restaurants im ganzen Land. Wir waren in der Filiale in der No. 124 Pyihtaungsu Avenue Street, Dagon, Yangon.

Chan Myaye Guest House: Günstig und zentral gelegen. No. 256/276 Mahabandoola Garden Street, Tel. 01-382022 oder 09-73027373. Bereits 2012 war es gut gebucht, wir haben ein paar Tage vorher reserviert. Am besten frühzeitig anrufen.

Beautyland Hotel II: Etwas teurer, ebenfalls zentral gelegen. No. 188-192 33rd Street, Tel. 951-240054 oder 951-240227 oder beautyland@goldenlandpages.com.

Weitere Episoden unserer Myanmar-Reise:

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Einige Stationen unsere 4-wöchigen Roadtrips

Habt ihr euch schon mal gewünscht, ihr hättet Asien vor 30 Jahren erleben können – vor der Ankunft der Backpackerhorden? Wir definitiv. Und unser Wunsch ist in Erfüllung gegangen: in Myanmar! 2012 waren wir vier Wochen lang mit Bus, Zug, Schiff, Ruderboot, Pickup, Sammeltaxi, Fahrradrikscha und Propellermaschine im Land unterwegs, vom Delta des Irrawaddy bis hoch in die Berge nahe der chinesischen Grenze. Während wir dort waren, fand die erste (halbwegs) demokratische Wahl nach jahrzehntelanger Militärdiktatur statt, zu der Aung San Suu Kyi mit ihrer Partei antreten durfte. Wir erlebten die Aufbruchstimmung im Land und lernten wunderbare, hoffnungsvolle und mutige Menschen kennen, die genauso neugierig darauf waren, sich mit uns zu unterhalten, wie wir mit ihnen.
Unsere Reise ist jetzt vier Jahre her und die Zahl der Touristen hat sich seitdem vervielfacht. Investoren kaufen Häuser und Land, internationale Konzerne versuchen den Markt zu erobern. Trotzdem – oder gerade deshalb – würden wir sagen: Besucht Myanmar! Jetzt!

Einige unserer (kulinarischen) Reiseabenteuer erzählen wir in mehreren Episoden hier im Blog – die einzelnen Stationen seht ihr oben auf der Karte.

Wart ihr selbst schon in Myanmar? Vielleicht sogar schon lange vor uns? Seid ihr vielleicht Overlander und mit dem Bulli durchs Land gereist? Oder mit dem Fahrrad? Habt ihr einsame Ecken bereist, die kaum ein Tourist zu sehen bekommt? Oder kennt ihr den besten Street Food Stand  des Landes?

Erzählt uns davon – wir freuen uns auf eure Kommentare!

Kommentare

2 Antworten zu „Yangon, Myanmar: Gold, Diamanten und ein opulentes Mahl“

  1. Avatar von Planet Hibbel

    Also so eine opulente Auswahl an Essen habe ich definitiv nicht einmal gesehen. Stop. Doch einmal….an meinem Geburtstag in einem „Luxus-Restaurant“ in Mandalay. Ansonsten fand ich die Auswahl mehr als traurig. Vielleicht gab es das für Touris aber 2006 auch einfach noch nicht wirklich? Und so richtige Märkte wie man sie aus Südoast-Asien kennt, haben wir seltsamerweise auch nicht gesehen. Vielleicht sind 6 Jahre dann entwicklungstechnisch doch einfach sehr viel für so ein Land. Viele Orte durften wir nämlich auch gar nicht bereisen. Die waren Sperrzone. LG, Nadine

  2. Avatar von Julia Schoon
    Julia Schoon

    Liebe Nadine – es gab nicht einmal Wochenmärkte? Wie krass! Da hat sich dann in den sechs Jahren, die zwischen eurer und unserer Reise lagen, wirklich sehr viel verändert! Wir haben Myanmar jetzt auch nicht als Feinschmeckerparadies erlebt, aber es gab eben doch das eine oder andere typische Essen für uns zu entdecken wie zum Beispiel Teeblattsalat oder Wachteleier (fand ich total exotisch). Und das gehört ja zum Reisen einfach auch dazu. Liebe Grüße!

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